Cloud Gaming als neue Streaming Revolution?

Cloud Gaming befindet sich durch angekündigte Dienste wie Googles Stadia oder Microsofts xCloud erneut im Fokus der Spielebranche.
In diesem Artikel erfährst du alles über das Thema Cloud Gaming und die Indikatoren, warum es dieses Jahr relevanter werden könnte.

Was ist eigentlich Cloud Gaming?

Cloud Gaming beschreibt das Streamen von Spielen, analog zum Konzept von Netflix für Filme und Spotify für Musik. Die Spieledaten werden in einer Cloud bzw. einem Rechenzentrum gespeichert, gerendert und anschließend nur der fertige Videostream an den Nutzer gesendet.

Vorteile des Cloud Gamings?

Die großen Vorteile liegen auf der Hand. Es wird kein Speicherplatz auf dem lokalen Computer belegt und keine Rechenleistung bei der lokalen Hardware benötigt. Des Weiteren ist das Spielerlebnis generell Geräteunabhängig (Smartphone, PC, Tablet, Fernseher). Zudem müssen keine Updates, Spielinstallationen oder lange Ladezeiten in Kauf genommen werden.

Das Konzept ist allerdings nicht neu!

Bereits im Jahr 2013 stellte Microsoft den ersten eigenen Ansatz für das Streamen von Games vor. Halo 4 wurde mittels des Service auf PCs und Windows Phones gestreamt. Man konnte mittels verbundenem XBox-Controller das Spiel auf einem Lumia 520 und beeindruckenden 45ms Latenz erleben. [The Verge]
Auch Nvidias GeforceNow (ehemals Grid) und Playstation Now verfolgen das gleiche Konzept.

Warum habe ich dann noch nie etwas davon gehört?

Während Netflix, Amazon Prime, Spotify, Apple Music und andere Streamingdienste nicht mehr wegzudenken sind, scheint Cloud Gaming noch nicht so richtig durchzustarten. Grund hierfür könnten die, noch zu meisternden, Herausforderungen sein. Beim Spielen, besonders im Multiplayer, in der Cloud ist vor allem eines entscheidend: Die Latenz. Also die Zeit, die es benötigt, bis eine Lokale Änderung, wie etwa Bewegen der Spielfigur, auf dem Server registriert wird. Im Gegensatz zum konventionellen Gaming, muss beim Cloud Gaming neben diesen einfachen Aktionen zusätzlich noch das Gesamte Bildmaterial gestreamt werden.Das Thema wurde bisher eher stiefmütterlich mit verhältnismäßig geringem Kapital vorangetrieben. Die ersten Versuche von Shadow, Geforce oder Playstation wurden von vielen als „erste Gehversuche“ einer neuen Technologie gesehen. Das Gesamtpaket war für viele nicht stimmig: Das Spieleangebot war zu unattraktiv, der monatliche Preis hierfür zu teuer und die Latenz für Onlinespiele zu hoch. 

Und warum wird jetzt alles besser?

Google hat im März 2019 ihre neue Gaming Plattform „Stadia“ angekündigt. Mit dem Slogan „The future of gaming is not a box“ will der Hersteller den Markt aufmischen. Das Konzept richtet sich nach meinem Empfinden an Casual Player. Dies zeigt sich an der Integration in YouTube. Zukünftig soll es möglich sein, direkt aus einem angeschauten Trailer oder Gameplay-Video, einen Play-Button zu drücken und direkt im Spiel zu landen. Ebenfalls wird es möglich sein, das Spiel in voller Auflösung (bis zu 4k) direkt live auf Youtube zu streamen. Zuschauer hätten auch hier die Möglichkeit in die gleiche Session des Streamers beizutreten. Eine Integration von Drittanbietern, wie beispielsweise Twitch wurde nicht eräwhnt.Google hat eine der ausgeprägtesten Serverlandschaften der ganzen Welt. So kann es sein, dass Latenzen sehr gering gehalten werden können. Auch die Systemeigenschaften klingen ansprechend:

  • Die gesamte Umgebung läuft auf Linux. Folglich müsste es entsprechende Portierungen der Hersteller geben
  • Ruckelfreies Spielen mit 60FPS auf 4k Auflösung
  • Für 60FPS mit 1080p wird laut Google lediglich eine 25 Mbit/s-Leitung benötigt
  • Jeder Account erhält einen eigenen x86 Prozessor mit 2.7 GHz (Genauere Angaben, um welchen Prozessor es sich handelt gibt es noch nicht)
  • Eine AMD GPU mit 10.7 Teraflops (Entspricht etwas mehr als einer GTX 1080. Zum Vergleich -> PS4 Pro (4.2) und Xbox One X (6.0))
  • 16GB Ram welcher gemeinsam von CPU und GPU benutzt wird
  • Kompletter Speicher aus SSDs
  • Ein eigens entwickelter Controller, welcher sich direkt mit der Server-Instanz verbindet, um Input-Lag weiter zu reduzieren

Spielen soll auf allen Plattformen und auch mit Tastatur + Maus möglich sein. Ein „on the fly“ Wechsel soll es ebenfalls geben. Man kann also vom PC direkt auf das Handy wechseln und an der exakt gleichen Stelle weiterspielen, an welcher man war. Der Dienst soll noch 2019 live gehen. Die gekürzte Stadia-Vorstellung wurde von TechInsider veröffentlicht. [YT-Video]

Klingt toll, aber:

So verführerisch das Ganze klingt, einen Haken muss es doch geben? Mir ist noch unklar wie sich Google das Streaming mit den oben genannten Bandbreien vorstellt. Wenn ein 1080p oder gar ein 4k Stream mit 60FPS über 25-50 Mbit übertragen werden soll, muss eine Komprimierung erfolgen. Die Datenmengen würden sonst in utopische Größen steigen. Bei dem komprimierten Bild gehen allerdings in Folge die Effekte für hohe Auflösung und hohe Grafikleistung durch die Hardware verloren und es könnte zu Bildartefakten wie Pixel-Fehlern kommen. Netflix und Amazon komprimieren zwar auch, haben aber eine deutlich geringe Bildrate und dadurch kleinere Datenmengen. Es bleibt abzuwarten, wie Google diese Herausforderung angeht. Ein weiterführendes Video zum diesem Thema gibt es bei LinusTechTips. [YT-Video]

In meinen Augen sind es jedoch die Funktionen des Dienstes selbst, welche die größte Hürde darstellen, sondern vielmehr der Breitband-Ausbau. Speziell in Deutschland haben viele Regionen noch keine Internet-Anbindung oder eine so schlechte, dass selbst YouTube oder Facebook zur unüberwindbaren Herausforderung werden. 2017 gab es lediglich 32,5 Mio Breitbandanschlüsse (>50 Mbit/S) in Deutschland. [ARD] Eine Karte des Breitbandausbaus findet sich in einem Artikel der ARD. [Artikel] Auch in den USA träumen viele Bundesstaaten noch von einer 30-Mbit/s-Leitung.

Und dann gibt es noch Microsoft:

Microsoft hat seit bereits einem Jahr das eigene Projekt xCloud in Entwicklung. Das Unternehmen setzt hierbei nicht auf brachiale Leistung wie Google, sondern möchte sich dem Thema Performance nähern. Ein xCloud Account erhält ein Serverblade mit den Komponenten von 4 Xbox One S. Spielen wird nur in Full HD möglich sein. Die benötigte Bandbreite soll aktuell zwischen 8 und 10 Mbit/s liegen. [Golem] Microsoft möchte diesen Wert sogar auf 5 Mbit/s senken. Gepaart mit der, zu Anfang erwähnten, Latenz von 45ms im Jahr 2013 kann man hier gespannt sein, welche Verbesserungen die nahe Zukunft bringt. Der Service soll mit der neuen Xbox Scarlett ausgeliefert werden. (Vorstellung der Xbox womöglich im Juni auf der E3 2019 mit den Codenamen-Modellen „Anaconda“ und „Lockhart“)

Bedenken der Community

Onlinezwang – In vielen Blogs und Foren ist oftmals die Angst vor Online-Zwang durch Spiele-Hersteller zu lesen. Die Versuche von Ubisoft und anderer Publisher wurden oft abgelehnt. Ich denke allerdings, dass sich diese Angst auf lange Sicht von selbst auflöst. Klar, kann ich nicht spielen, wenn ich kein Internet und keine Lokale Kopie habe. Das Gleiche gilt aber auch für Netflix und Co. Dort überwiegt auch die Bequemlichkeit und lässt die „Angst“ in den Hintergrund rücken. Ein weiteres Argument sind die Abo-Modelle der Konsolenhersteller für Mulitplayer-Zugang. Egal ob Playstation oder Xbox, für beide Online-Zugänge muss man monatlich zahlen. Diese Modelle wurden anfangs auch kritisiert und letztendlich doch angenommen.

Auswahl/Angebot/Preis – Die wahrscheinlich spannendste Frage. Wenn die Dienste wie bisherige Anbieter, etwa PS Now, mit alten Spielen und verhältnismäßig hohen Preisen werben, wird auch dieser Versuch zunächst scheitern. Sofern jedoch eine gelungene Auswahl an Exklusiv-Titeln und Triple A Veröffentlichungen zu einem Moderaten Preis wie etwa 20-60€ mtl. zur Verfügung steht, könnten die Dienste zum Erfolg werden. Für mich ist hierbei zwingend Voraussetzung, dass die angebotenen Spiele nicht „rotieren“.  Ich möchten ein Spiel, welches ich letzen Monat begonnen habe, auch in Zukunft weiterspielen können.

Verlust des Eigentums – „Nichts gehört mir mehr!“ hört man oft auf YouTube. Viele haben schon mehrere Streaming-Abos und zahlen letztendlich für Inhalte, die ihnen nicht gehören. Ich sehe darin kein Problem, weil ich zu jeder Zeit die Möglichkeit habe, aktuelle Inhalte direkt abzurufen. Unrecht haben diese Leute aber dennoch nicht, wir geben immer mehr ab und wechseln zu Abo-Modellen. Da ein Spiel einen höheren Preis gegenüber einem Film oder Album hat, ist der Anspruch nach Besitz hier durchaus gerechtfertigt. Zudem braucht der Mensch oftmals eine Art der Konstante und Trophäe des Erfolgs, beispielsweise des Kaufs einer Sammler-Edition. Ein Cloud Gaming-Abo kommt ergänzend zu bereits Film-, Musik- und Buch-Streaming hinzu. Ich denke das der Trend von Abo-Modellen sich weiter ausbreitet und sich auch in der Spiele-Branche früher oder später etablieren wird. Voraussetzung ist eine gebotene Bequemlichkeit für die Kunden.

Schlusswort

Die Technologien großen Unternehmen wie Microsoft und Google könnte einen neuen Anstoß für den Wettbewerb aller Unternehmen und Spielehersteller bedeuten. In Bezug auf 2019 könnte Microsoft beim Launch einen Vorteil haben. Sie sind länger am Spiele-Markt etabliert und bieten zu Beginn vermutlich ein besseres Spielerlebnis als Google. Langfristig könnt Google jedoch das attraktivere Angebot mit besserer Hardware leisten. Entscheidend ist, wer zuerst den Markt betritt.

Ich sehe in der Branche und den Konzepten viel Potenzial. Wichtig ist mir zu betonen, dass ich es nicht als „Ablöse der Bisherigen Muster“ sehe. Vorbesteller-Boxen, Steam, Spiele im Handel, etc. wird es noch sehr lange geben und das ist auch gut so. Vielmehr sehe ich die Dienste als gelungene Ergänzung, um in viele Spiele reinzuschauen und ab und zu einfach einen aktuellen Titel spielen zu können, ohne mir dafür einen neuen PC oder eine Konsole kaufen zu müssen. Realistisch betrachtet wird Cloud Gaming (aus meiner Sicht) die breite Masse allerdings nicht vor 2025 erreichen.

Quellen

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